Bodenbotschafter im Interview

Humusaufbau vor Ertrag

Sohn Timo und Vater Dietmar Rapp - zufrieden mit dem bäuerlichen Nebenerwerb auf der Hofbank © Pulvermüller

Der Biohof Rapp kommt einem gesellschaftlichen Ideal vermutlich nah: Er ist bio, biodivers, der Landwirt hält Zweinutzungshühner und betreibt Klimaschutz. Zum Konzept gehört auch, dass der Hof klein bleiben soll. (Autorin: Anja Rath)

Seit etwa 30 Jahren verzichtet Dietmar Rapp bei der Bewirtschaftung seiner rund 42 Hektar Ackerland am Südrand der Schwäbischen Alb auf den Pflug. Als Ökobetrieb ist ihm der Einsatz synthetischer Dünger untersagt; gedüngt wird mit dem Mist von Bio-Milchkühen, den Rapp über eine Futter-Mist-Koopera- tion bezieht. Zudem bringt er Erntereste und Kompost aus, also viel organisches Material. Denn: Rapp will den Humusgehalt auf zehn Prozent steigern.

Ackerböden verbessern

„Bei uns steht der Humusaufbau an erster Stelle, nicht der Ertrag“, sagt Rapp. Er hat beim Bodenfruchtbarkeitsfonds in der Schweiz eine Ausbildung zum Bo denbotschafter gemacht, hält Vorträge auf seinem Hof und in Berufsschulen. Die oberen fünf Zentimeter des Bodens seien der Raum, in dem das organische Boden- leben besonders aktiv ist – also Organismen, die pflanzliche wie tierische Stoffe zu Humus umbauen. Dieser Teil des Oberbodens enthält viel Kohlenstoff und speichert damit CO2.

„Man muss immer sorgen, dass das Bodenleben etwas zum Knabbern hat. Holz lieben die Organismen ganz besonders.“ Neben Reisig und geschreddertem Grünschnitt arbeitet Rapp mit Pflanzenkohle, die er selbst herstellt. „Wir bringen ein Kilo aktivierte Kohle pro Quadratmeter aus. Sie kann fünf Liter Wasser speichern.“ Für einen stabilen Wasserhaushalt brauche es zusätzlich eine Mulchschicht. „Wenn ich den Boden bedecke, verdunstet fast nichts, und das Wasser steht den Pflan zen zur Verfügung.“  Der Humusgehalt in Rapps Böden betrage mittlerweile etwa sieben Prozent, sagt er. Jedes Prozent könne 40 Liter Wasser pro Quadratmeter halten. Vergangenes Jahr hat er einen Versickerungstest gemacht: „Unser Boden konnte pro Stunde knapp 170 Liter Wasser aufnehmen.“ Das kann bei Starkregen ebenso helfen wie bei Dürre. „Unseren Beständen hat die Bodenfeuchte gereicht, als es im vergangenen Jahr so lange trocken war.“

Ein reges Bodenleben sorge eigentlich selbstständig für Humus, sagt Rapp. „Bei einer Bodenschätzung in den 1930er- Jahren hatten die Böden im deutsch- landweiten Durchschnitt einen Anteil von etwa sechs Prozent Humus, aktuell sind es unter zwei.“ Böden von Grünland, die dauerhaft bewachsen und durchwurzelt sind, enthalten deutlich mehr Humus als Ackerböden, denen bei jeder Ernte organisches Material entzogen wird. Um dort den Humus zu erhalten oder aufzubauen, bedarf es sozusagen als Futter für das Bodenleben Mist, Gülle oder Zwischenfrüchte. Auch die Boden- bearbeitung nimmt Einfluss: „Wir lockern unsere Böden maximal fünf Zentimeter tief auf.“

Blühende Vielfalt auf der Wiese des landwirtschaftlichen Demeter-Betriebes Dietmar Rapp
Bildrechte
ifab Mannheim

Kleiner Fuhrpark, betriebsinterne Kreisläufe

Rapps Fuhrpark besteht aus drei Maschinen: einem Flachgrubber zur Auflockerung des Bodens, einem leichten Mähdrescher, einer Grubber-Sämaschine. „Bearbeite ich den Boden einen Zentimeter tief, muss ich rund 160 Tonnen pro Hektar bewegen“, sagt er. Laut Agrardieselverbrauchsrechner des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft verbraucht die deutsche Landwirtschaft im Durchschnitt 100 Liter Diesel pro Hektar –er verfahre 56, sagt Rapp. „Wir kommen dank der leichten Technik und weniger Herumfahren so aus, dass uns eine Tonne Ertrag pro Hektar reichen würde, um Gewinn zu erzielen.“  Denn außer Ersatzteilen und Diesel kaufe er kaum etwas ein.

Auch nicht das Saatgut für Zwischenfrüchte und Untersaaten. Rapp baut Hafer, Nackthafer, Buchweizen und Emmer an – sowie Urdinkel. Die „Interessenge meinschaft Dinkel“ in der Schweiz rechnet mit bis zu fünf Tonnen Ernteerträgen je Hektar im extensiven und bis zu sieben Tonnen im intensiven Öko-Anbau für dieses Getreide. „Wir bauen die alte Sorte Oberkulmer Rotkorn an. Da ist bei drei Tonnen Schluss.“ Seine Fruchtfolgen kombiniert er stets mit einer Untersaat wie Leindotter, Erbse oder Klee. Wenn Pflanzen wie Distel oder Ampfer anzeigen, dass es Verdichtungen gibt, sät Rapp Luzerne und Lieschgras, die mit ihren langen Wurzeln den Boden auflockern. „Die Pflanzen grubbere ich um, wenn ich den Dinkel säe. Der ist bei der Ernte etwa 1,80 Meter hoch, darunter viel Lieschgras. Das dresche ich mit, siebe die Samen heraus und nutze sie als Saatgut für Zwischenfrüchte.“ So verfährt er auch mit den Samen von Beikräutern. Seine Bio-Körner, -Mehle und -Flocken vermarktet Rapp direkt: ab Hof, über einen Online-Shop und die „Dorfladenbox“, den Verkaufsautomaten eines jungen Unternehmens im nächsten Ort. Er verkauft auch an die Gastronomie und verschiedene Läden.

Hühner und Wiesen

Einen Teil des Getreides, der Untersaat und der Zwischenfrüchte fressen die „Les Bleues“, Rapps aus Frankreich stammende alte Hühnerrasse. Durch die marktorientierte Spezialisierung in der Landwirtschaft wurden Legehennen in den vergangenen Jahrzehnten mit dem Augenmerk auf die optimierte Eierproduktion gezüchtet. Haben sie ihre Legeperiode beendet, werden sie zu Suppenhühnern oder Tierfutter; zur Fleischvermarktung eignen sie sich nicht. Nach Möglichkeiten, wie sich das Ausbrüten oder Töten der nicht verwertbaren männlichen Küken verhindern lässt, suchen Wissenschaft, Praxis und Politik seit Jahren. Die „Les Bleues“ halten, was die Leistung angeht, mit den hochgezüchteten Rassen nicht mit, aber sie können als sogenannte Zweinutzungshühner sowohl Eier legen als auch Brathähnchen werden.

Die in der Mast üblichen Hybridhähnchen seien in der Regel nach fünf Wochen schlachtreif, die Les-Bleues-Hähne brauchten 15 bis 20 Wochen, so Rapp. Die männlichen Küken habe er nach dem Ausbrüten bislang zur Mast an einen anderen Ökobetrieb abgegeben.

„Doch die Leute, die ihre Eier bei mir kaufen, wollen auch das Fleisch von mir beziehen. Ich überlege deshalb, in einem Hühner-Mast-Mobil 60 bis 80 Gockel pro Jahr selbst großzuziehen.“ Ein Hähnchen kostet bei ihm im Schnitt 45 Euro. In Frankreich läge der Preis bei etwa 70 Euro, so Rapp. „Das ist ein ganz besonderes Fleisch; wer es einmal gegessen hat, will kein anderes mehr.“

Seit 1711 ist der Hof im Familienbesitz, seit Jahren nach Demeter-Richtlinien zertifiziert. Zu dem Betrieb gehören vier Hektar Wald und 24 Hektar Grünland. Die Flächen liegen zwischen 660 und 770 Meter über dem Meer – für blumenreiche Bergwiesen ist das eine geeignete Lage. Rapp mäht sie zweimal im Jahr, für ihre Artenvielfalt wurde er 2015 im Rahmen der Wiesenmeisterschaften Baden-Württembergs gekürt. Das Schnittgut dient den Hühnern als Futter und zur Produktion von Bio-Heu. Rapp ist überzeugt davon, dass sein Heu und Getreide besonders gesund sind, weil er natürlichen Prozessen viel Spielraum lässt. Der Verzehr zeige bei Tieren und Menschen eine gesundheitsfördernde Wirkung.

Klein und zufrieden

Der Landwirt betreibt die Landwirtschaft mit seinem Sohn im Nebenerwerb. Beide arbeiten im öffentlichen Dienst und kön- nen bei Bedarf, etwa, wenn das Heuma- chen ansteht, flexibel Urlaub nehmen. Die Eier seiner rund 350 Legehennen verkauft Rapp für 36 Cent das Stück ab Hof. Sie seien täglich ausverkauft, sagt er.

Aber vergrößern will er nicht. „Wir fühlen uns ausgeglichen, zufrieden und arbeiten im Kreislauf.“ Berufskollegen, die vergrößerten, müssten bei den heutigen Pachtpreisen alles aus dem Acker herausholen. Rapp nutzt die Möglichkeiten der Agrarförderung; einige der Agrarumweltmaßnahmen scheinen wie für den Hof gemacht. Aber: „Wir haben unseren Betrieb so aufgestellt, dass wir auch ohne Subventionen gut auskommen würden.“ Für ihn ist die Politik auf dem richtigen Weg, weil sie Landwirte mehr für ihre Umweltleistungen honoriert. 

Kontakt zum Hof: info@biohof-rapp.de www.biohof-rapp.de

Danke an LandinForm für die Genehmigung der Veröffentlichung auf demeter-bw.de

ein Flachgrubber im Einsatz auf dem Acker von Demeter-Mitglied Rapp
Bildrechte
Pulvermüller

Schlagworte

Alb