Herzensküche aus dem Holzofen

Renate Lieb und Günther Saiger betreiben ein Kleinod auf der Ostalb. Eine Kombination aus genussvoller Gastronomie, kuscheligem Hotel und Sehnsuchtsort. Herzstück der Älbler Herzensküche sind die vielen biodynamischen Erzeugnisse von Landwirt*innen der unmittelbaren Umgebung.

„Wir glauben, dass der Genuss am größten ist, wenn Mensch und Natur im Einklang sind“, sagen Renate Lieb und Günther Saiger. „Bei jedem Gericht, das wir servieren, legen wir den Fokus darauf, dies umzusetzen.“ Ihre Küche nennen sie deswegen „Herzensküche“. Und das aus gutem Grund. So kocht die Scheunenwirtin in Bartholomä auf der Ostalb grundsätzlich mit dem Holzofen, gerne mit alten Sorten, bezieht die Waren fast ausschließlich von regionalen Landwirt*innen.

Die beiden Betreiber*innen haben eine der profiliertesten nachhaltigen Gastronomien in Baden-Württemberg geschaffen. Eine Mischung aus nachhaltigem Genussort und Beispiel dafür, wie hervorragend regionale Kreisläufe zwischen Bauernhöfen, Lebensmittelhandwerker*innen und Gästen funktionieren können. Zumindest, wenn alle mit der nötigen Mischung aus offenem Herzen und Tatkraft aufeinander zugehen, die Bedürfnisse der jeweils anderen wahrnehmen und daraus ihre Schlüsse ziehen. Dann klappt, was Günther Saiger als Leitmotiv der Scheunenwirtin beschreibt. „Das ist ein Tausch Vertrauen gegen Qualität.“

Das Vertrauen der Landwirt*innen, dass die Scheunenwirtin ihre Erzeugnisse verlässlich kauft.

Das Vertrauen der Scheunenwirtin, dass ihre Gäste genau das genießen möchten, was die biodynamischen Höfe der Umgebung gerade liefern können.

Das Vertrauen der Gäste, dafür in Bartholomä auf den Höhen der Ostalb eine Gastronomie wie nirgendwo sonst zu erleben.

Bisher ist dieser Tausch ein Gewinn für alle Beteiligten.

Aber bis dahin war es, wie so oft, ein Weg so steinig wie die Aufstiege zur Ostalb.

Der Gast hat keine Wahl

Als Renate Lieb und Günther Saiger ihr Restaurant auf nachhaltige Küche umstellen wollten, standen sie vor einem Dilemma: Sie wollten bio, regional und fair einkaufen. Aber kaum ein Hof wollte ihnen etwas verkaufen. „Die Biobauern hatten am Anfang gar keine Lust auf Gastronomie“, erzählt Günther Saiger. „Der Ruf der Gastronomie war einfach zu schlecht auf den Höfen: eher kleine Mengen, von Tieren nur bestimmte Teile und Rechnungszahlung erst nach Wochen.“ Also beschlossen die beiden Ostalb-Gastronom*innen, bei allem das Gegenteil zu garantieren. Sie sichern die Abnahmen bestimmter Erzeugnisse, sie kaufen ausschließlich ganze Tiere und sie zahlen ihre Ware sofort. Heute zählen ein gutes Dutzend Demeter-Höfe, wie etwa der Hof von Manfred und Bettina Schmid, die aus Westhausen Eier und Geflügel liefern, und insgesamt mehr als 30 regionale Lieferant*innen zum Kundenkreis der Scheunenwirtin.

Das alles würde nicht klappen, wenn die Gäste nicht mitziehen würden. Im Vergleich zur klassischen Gastronomie läuft in Bartholomä einiges anders. Die Gastronom*innen aus dem Luftkurort bringen frischen Wind in mache angestaubte Gastro-Gepflogenheit. „Bei uns richtet sich alles nach den Bedürfnissen der Bauernhöfe“, sagt Günther Saiger. „Die können bei uns anrufen und liefern, was sie wollen. Nur die Qualität muss passen.“

Sprich: Gekocht und damit gegessen wird, was Saison hat und gerade reif oder da ist. Das Restaurant öffnet nur auf vorherige Reservierung zu festgelegten Anlässen und Terminen, was für alle die Planungssicherheit erhöht. Es gibt keine Speisekarte. Auf den Tisch kommt, was da ist. Älbler Naturküche eben, wie sie naturnäher nicht sein könnte. „Bei uns kann der Kunde nicht mehr aussuchen. Man kann nur sagen, was man nicht möchte. Aber abgesehen davon gibt es, was wir anbieten“, sagt Günther Saiger. Das freilich geht nur, weil der Ruf der Scheunenwirtin-Küche längst über die Ostalb hinaus hallt. „Wenn die Gäste das Gefühl haben, dass sie so eine Küche bekommen, die woanders teurer wird oder gar nicht zu haben ist, funktioniert das“, sagt Renate Lieb.

Alles aus dem Holzofen

Was sie nicht sagt: Dafür braucht es auch ein Küchenkonzept, was Qualitätsfanatiker*innen und Überzeugungstäter*innen umsetzen. Und das, da sind wir wieder bei der Herzensküche, von Herzen kommt. Neben der Liste der Lieferant*innen zeigt sich das nirgends so, wie am zentralen Ort der Scheunenwirtin: dem Holzofen, in dem alles, wirklich alles hier zubereitet wird. Und gibt es ein Kochgerät, das mehr Herzenswärme und Seele hat, als ein Holzofen?

Nicht nur, dass die Gerichte anders, tiefer schmecken, wenn sie aus dem offenen Feuer kommen. Kaum ein Küchengerät schafft so viel körperliche und seelische Wärme wie der Ofen. Deswegen verweigern sich Lieb und Saiger konsequent Kombidämpfer, Fritteuse und was es sonst noch so in modernen Profiküchen gibt. Stattdessen garen die regionalen Genussmittel über offenem Feuer.

Das heißt nicht, dass Renate Lieb Holzofenbrot und Krustenbraten serviert. Im Gegenteil. Die Scheunenwirtin kocht handwerklich anspruchsvoll, vielfältige Produktküche, die zwar eindeutig in Schwaben zu verorten ist, aber schon die vergangenen zwei Jahrzehnte in deutschen Spitzenküchen wahrgenommen hat. Man könnte auch sagen: Gerichte, die modern aussehen, bei denen die Echtheit des Produktes und die Qualität aber immer vor optische Effekte gehen. Und mit Blick auf ihr eigentümliche Kochgerät sagen sie: „Man braucht Erfahrung, gutes Gespür. Man steht dann auch mal draußen im Wind oder im kalten Regen.“ Und alle Gäste müssen zu einem ähnlichen Zeitpunkt essen. Denn der Holzofen erreicht nur ein Mal am Tag die ideale Kochtemperatur. Deswegen ist mit dem Holzofen auch nie ein regulärer Restaurantbetrieb ohne Voranmeldung möglich. „Aber wir würden diese Form des Kochens nie aufgeben“, sagt Saiger.

Essen mit Wirkung

Dafür setzen sie sich auch mit Themen auseinander, die für die biodynamische Erzeugung nicht einfach sind. Während bei Demeter Tiere unbedingt zum ganzheitliche Hof-Organismus gehören, legen Renate Lieb und Günther Saiger bewusst auch ganze vegane Abende und Veranstaltungen ein. „Vegan ist nicht die Hauptrolle bei uns“, sagt Günther Saiger. „Aber es geht schon darum, den Fleischkonsum nicht zu sehr ausufern zu lassen.“ So sind Vorspeisen immer vegetarisch oder vegan, es sei denn es müssen noch Teile von einem komplett eingekauften Tier verarbeitet werden. Ob vegan, die Verarbeitung ganzer Gemüse mit Schalen und Wurzeln oder die Verwendung von Fleisch aus Brudertieraufzucht: Wer in der Scheunenwirtin isst, lernt auch einiges. Eine „kulinarisch sehr bewusste Reise“, nennen die beiden Gastronom*innen das.

Und da streben sie, in diesem Sinne, durchaus noch Bewusstseinserweiterung an. So gehören zum Hofgut der Scheunenwirtin Landwirtschaftsflächen, die bisher an konventionelle Höfe verpachtet werden. Nicht mehr stimmig, befanden die beiden. Und versuchen derzeit, stärker selbst wieder Lebensmittel zu erzeugen. Mit beeindruckenden Folgen: So haben die neu angeschafften Hühner etwa ganze Flächen wiederbelebt. Derzeit entstehen neue Streuobstflächen, die auch wiederum neues Leben anziehen werden. Kräuter für die eigene Küche sind bereits erntereif, ein eigener Permakulturgarten nicht mehr weit.

Das Ziel, Genuss, Mensch und Natur in Einklang zu bringen – auch wortwörtlich kommen sie diesem immer näher.

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