Freude am handwerklichen Genuß

Auf der Alb, in Mössingen gibt es den handwerklichen Betrieb Grießhaber. Hier schlachtet, zerlegt und verarbeitet der Senior-Chef höchstpersönlich Tiere vieler Demeter Bauern von Alb, Bodensee und Schwarzwald. Die familiär geführte Metzgerei verzichtet auf Wachstum, arbeitet ausschließlich biologisch und knüpft regionale Netzwerke.

Wenn sich die Klappe des Viehtransporters öffnet, weiß Karl-Heinz Grießhaber schon Bescheid. „Du merkst sofort, ob das Tier entspannt ist oder aufgeregt“, sagt der Metzger aus Mössingen, am Fuße der Schwäbischen Alb. „Vor allem merkst Du dann auch, wie das Tier gehalten wurde.“ Denn Rinder oder Schweine, die zuvor ein wesensgemäßes Leben hatten, sind auch beim Betreten des Schlachtraums noch entspannt. Und andere Tiere - so hat Karl-Heinz Grießhaber schon vor Jahrzehnten für sich entschieden - möchte er in seiner kleinen Familien-Schlachterei und Metzgerei nicht verarbeiten. Denn: „Wenn das Tier sich wehrt oder sehr unruhig ist, dann belastet mich das.“

Damit Karl-Heinz Grießhaber solche ausgeglichenen Tiere bekommt, hat er sich über die Jahre ein enges Netz an Landwirt*innen aus der Umgebung geknüpft, deren Tiere er fast ausschließlich schlachtet. Für ihn und seine Tochter Desirée, die den Betrieb vor drei Jahren übernommen hat, ist diese regionale Zusammenarbeit mit den Höfen in der „Drei-Länder-Region“, wo Schwäbische Alb, Bodensee und Schwarzwald aufeinandertreffen, das Fundament, auf dem ihr kleiner Betrieb mit einem guten Dutzend Mitarbeiter*innen und vier engagierten Familienangehörigen aufbaut.

„Ich glaube, wir handwerklichen und nachhaltigen Betriebe haben dann eine Zukunft, wenn wir uns auf möglichst kleine, regionale Kreisläufe und Netzwerke besinnen“, sagt Desirée Grießhaber-Vetter. Und das leben sie in der Mössinger Metzgerei in mehrfacher Hinsicht: Sie arbeiten ausschließlich mit Tieren von Bio-Landwirt*innen aus der Region, zu denen – Mensch wie Tier – sie ein persönliches Verhältnis aufbauen; sie tauschen intensiv Waren mit anderen Bio-Handwerksbetrieben der Region, sie beziehen auch nahezu alle anderen Betriebsmittel aus der Region. Und sie haben sich ein recht striktes Wachstumsverbot auferlegt: Mehr als drei Rinder alle zwei Wochen und fünf Schweine pro Woche werden nicht geschlachtet.

Vertrauen und Netzwerk für biodynamische Arbeit

Im Gegenzug strahlt der Betrieb, trotz der eher kühlen Umgebung mit vielen weißen Kacheln und Edelstahl in den Schlacht- und Zerlegeräumen, eine nahezu warme Empathie aus. „Ich kennen niemanden, der so mitfühlend Tiere in den Tod begleitet, wie Karl-Heinz Grießhaber“, sagt Denis Hahn, Demeter-Delegierter in der Kulturregion Bodensee und selbst Landwirt in der Hottenlocher Hofgemeinschaft, die bei Grießhabers schlachten lässt. Das geht, weil die Grießhabers – Vater Karl-Heinz und Sohn André in der Schlachtung, Mutter Manuela hinter der Verkaufstheke und Desirée als Chefin – sich die Zeit und Muße nehmen, die die Dinge brauchen. Weil hier nichts anonym passiert. Und weil sie mit ihren Kund*innen eine seltene Übereinkunft getroffen haben: Es gibt keine Angebote, alle Waren kosten, was es für ein sicheres Auskommen aller Beteiligter braucht, und was verkauft ist, gibt’s nicht mehr. „Wenn alle da aufeinander achten, gelingt so etwas“, sagt Desirée Grießhaber-Vetter, während sie Besuchern der Demeter Landesarbeitsgemeinschaft an Hand von Rosmarinschinken, Ziegen-Kaminwurz und Apfel-Leberwurst einen Ausschnitt der Produktpalette präsentiert.

So wie mit vielen Kund*innen haben die Grießhabers auch Partnerschaften mit anderen Bio-Betrieben der Gegend geschlossen. In der Genossenschaft Xäls (älblerisch für Gesälz = Marmelade) arbeiten Bio-Händler*innen, Bio-Landwirt*innen und Bio-Handwerker*innen aus der Neckar-Zollernalb-Region zusammen. Die Dorfgemeinschaft Tennental etwa mit ihren Demeter-Milchprodukten und Gemüsen, der Milchvieh- und Ackerbaubetrieb Schönberghof des biodynamischen Präparate-Spezialisten Manfred Kränzler oder die B2-Biomärkte in Balingen und Rottweil. Mit letzteren besteht ein reger Tauschhandel: Grießhabers liefern die Fleisch- und Wurstwaren für die dortigen Frische-Theken, nehmen auf dem Rückweg Gemüse und weitere Zutaten für ihren Mittagstisch, ihre Gastronomie oder Verkaufstheke mit. Ähnlich läuft die Kooperation mit dem Schönberghof: das Getreide für ihr selbstgebackenes Mössinger Metzgerbrot holt Desirée Grießhaber-Vetter bei Manfred Kränzler, im Gegenzug schlachten sie dessen Tiere.

Selbst die Betriebseinrichtung ist regional

Diese Regionalphilosophie haben die Grießhabers durch und durch verinnerlicht: „Die Kaffeemaschine kommt aus Heidelberg, der Räucherofen aus Winnenden, der Cutter aus Biberach“, zählt Karl-Heinz Grießhaber auf. Selbst das Lastenrad, mit dem er Kund*innen beliefert, hat er im Heimatort Mössingen aufgetan.

Obwohl dieser regionale Genusskreislauf so vorbildlich funktioniert, stehen immer wieder Hindernisse im Weg. Weil immer weniger regionale Schlachthöfe überhaupt noch in Betrieb sind, leiden die Grießhabers schon fast unter zu viel Ansturm sowohl von Landwirt*innen, die ihre Tiere möglichst wesensgemäß auf ihren letzten Metern begleiten wollen, als auch von Kund*innen. Und immer mehr bürokratische Auflagen in Sachen Hygiene, Emissionsschutz und Dokumentationspflichten erschweren den Alltag. „Zudem kommen Nachhaltigkeit und Handwerk in der Metzgerausbildung viel zu kurz“, sagt Desirée Grießhaber-Vetter, die nach dem BWL-Studium noch einen Metzgermeister absolvierte. „Die Ausbildung ist eher auf die Bedürfnisse der Industrie ausgerichtet, das muss sich ändern.“

Einen kleinen Teil des Problems, so ist die Familie, will sie selbst lösen: Auf einem Nachbargrundstück planen sie den Bau eines neuen Betriebsteils. Dort soll es unter anderem eine Wurstküche zu Lehr- und Ausbildungszwecken geben. Wachsen soll der Betrieb so nicht, aber qualitativ besser werden. Noch besser.

Wer fair und regional Fleisch und Wurst genießen möchte - hier ist die Adresse.

 

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