Ökolandbau gefährdet

Mit der geplanten Neufassung der europäischen Öko-Verordnung gefährdet die EU-Bürokratie die Weiterentwicklung des Ökolandbaus in ganz Europa. Experten sehen die geplante Revision als folgenschweren Irrweg.

Die Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau Baden-Württemberg (AÖL) begrüßt zwar das Ziel der EU-Kommission, den Öko-Sektor mit einer „konsequenteren“ und „skandalsichereren“ EU-Öko-Verordnung weiter voranzubringen.Aber der eingeschlagene Weg dazu ist der falsche: Die AÖL fordert die EU-Kommission dazu auf, die bestehende Öko-Verordnung nicht grundlegend neu zu gestalten, sondern stattdessen mit Augenmaß und entsprechend den bisher geltenden Regeln sachgerecht weiter zu entwickeln.

Der Erfolg des Ökologischen Landbaus und des gesamten Sektors der ökologischen Lebensmittelwirtschaft beruht zu einem wesentlichen Teil auf einem prozessorientierten System der Qualitätssicherung und der Definition von Richtlinien entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Acker bzw. der Wiese bis zum Teller. Die Verbände des Ökologischen Landbaus arbeiten seit Jahrzehnten daran, für die Erzeuger und Verarbeiter entsprechende Richtlinien zu entwickeln und haben auch die Europäische Union bei der Entstehung und Ausgestaltung des europäischen Rechtsrahmens für den Ökologischen Landbau unterstützt. „Diese Erfahrungen und Kompetenzen sollte die Kommission bei der Weiterentwicklung der EU-Öko-Verordnung weiter nutzen“, unterstreicht der AÖL-Geschäftsführer Dr. Christian Eichert. Durch eine komplette Neufassung der EU-Verordnung entstünde Rechtsunsicherheit für alle Marktakteure und die Verwaltung. „Wir halten die Totalrevision der EU-Öko-Verordnung für einen Irrweg, der zu einem massiven Rückgang des Ökologischen Landbaus in Deutschland und Europa führen wird“, so Dr. Eichert.

Durch die bisherige Prozessorientierung werden für jeden Schritt der Produktion Regeln festgelegt, an die sich Erzeuger und Verarbeiter halten müssen. Die EUKommission denkt jetzt über spezielle Grenzwerte beispielsweise für Pflanzenschutzmittelrückstände nach, die im Endprodukt eingehalten werden müssen. Der ökologische Landbau findet in Europa jedoch nicht unter einer „Käseglocke“ statt und die Öko-Erzeuger können nicht für Schadstoffeinträge haftbar gemacht werden, für deren Verursachung sie nicht verantwortlich sind und auf deren Verbreitung sie keinen Einfluss haben.

Zudem verkennt die EU-Kommission den Grundgedanken des Ökologischen Landbaus, der auf einem naturgemäßen Umgang mit Böden, Pflanzen und Tieren basiert. Sie erweckt den Eindruck, man könne ein Bio-Produkte mit Labormethoden erkennen und klammert den Kontext des Wirtschaftens völlig aus. „Dies wäre ein Paradigmenwechsel und würde den grundlegenden Zielen des Ökologischen Landbaus widersprechen“, so Dr. Eichert. Eine Prozesskontrolle über alle Produktionsstufen kann nicht durch strengere Grenzwerte für Inhaltsstoffe am Endprodukt ersetzt werden. Rückstandskontrollen als Teil der Bio-Kontrolle würden mehr Bürokratie bedeuten und keine zusätzliche Lebensmittelsicherheit für die Verbraucher bringen.

Dagegen steht die Europäische Kommission in der Pflicht, bei der Sicherheit unserer Lebensmittel endlich das Verursacherprinzip konsequent umzusetzen: Sie muss die Akteure zur Verantwortung ziehen, die für Mensch und Umwelt gefährliche und problematische Substanzen verbreiten und nicht diejenigen mit mehr Bürokratie gängeln, die ohne den Einsatz solcher Problemstoffe gesunde Lebensmittel produzieren.

Mehr Qualität und Sicherheit kann und sollte mit einer Verbesserung des bestehenden staatlichen Kontrollsystems erreicht werden. Für eine effizientere Kontrolle und zur Vermeidung von Verstößen und Betrug müssen die offiziellen Kontrollsysteme mit den staatlich überwachten Kontrollstellen noch stärker als bisher zusammenarbeiten. Zudem ist es zielführend, bei erhöhten Risiken auch häufiger zu kontrollieren und in allen EU-Ländern ein einheitliches Regelwerk für Sanktionen, Bußgelder und Strafen zu schaffen.


Die baden-württembergischen Öko-Anbauverbände wie auch die Öko-Branche insgesamt benötigen Kontinuität und Verlässlichkeit in der Gesetzgebung und Verwaltung als Grundvoraussetzung für die Arbeit ihrer Erzeuger und Verarbeiter. Die Totalrevision der EU-Öko-Verordnung würde diese Grundvoraussetzung kippen und jahrzehntelange Erfahrungen und Aufbauarbeit in den Öko-Sektor ignorieren. „Wir fragen uns deshalb schon“, so Dr. Eichert, „welche Interessen die EUKommission mit diesem Vorschlag verfolgt“.

Ansprechpartner für Presseanfragen: Dr. Christian Eichert, Tel.: +49-160-7406015

Die Pressemitteilung der AÖL als PDF finden Sie hier.