Thomas Harteneck, Winzer aus Südbaden über Biodynamik und die Zukunft des Weinanbaus

Biodynamische Weine, die Räume voller Harmonie öffnen

Thomas Harteneck im Weinkeller mit Weinglas © Weingut Harteneck

Für Thomas Harteneck liegt die Zukunft des Weinanbaus in den Händen der Biowinzer:innen. Dies konsequent umzusetzen, hat er bereits vor mehr als 25 Jahren entschieden. Er gilt seither als ein Pionier des biodynamischen Weinbaus in Deutschland. Bis heute ist er davon überzeugt, dass die Biodynamik die besten Antworten - nicht zuletzt auch auf die aktuellen Herausforderungen des Klimawandels gibt: Die Biodynamik ist ein gelebtes Miteinander von Mensch, Natur, Tier und Boden und sie fördert die Biodiversität in höchstem Maße. Sein in jeder Hinsicht ungewöhnliches Weingut wurde wiederholt ausgezeichnet. Aktuell vom Gourmet Verlag „Der Feinschmecker“ als eines der besten Weingüter Deutschlands.

Zeit für ein paar Fragen

Wie beschreiben Sie Ihr Selbstverständnis von Weinbau? Wir sind seit 25 Jahren Demeter-zertifiziert, das bedeutet, dass wir auf unserem Weingut konsequent die Biodynamik leben. Ursprünglich stamme ich aus der Pfalz, war einige Jahre in der Schweiz tätig, bis ich dann hier in Südbaden auf diesem schönen Fleckchen Erde gelandet bin, für das wir Verantwortung übernommen haben. Bei uns grasen Wollschafe zwischen den Rebzeilen und wir machen Präparate-Arbeit. Wir betreiben Weinbau gegen den Mainstream, d.h. alle Weine sind spontan vergoren, unfiltriert und lange auf der Hefe gereift. Die sogenannten „Orange-Weine“ sind mit Beerenhaut und Kernen vergoren, völlig ungeschwefelt und mit einer natürlichen Hefetrübung sorgsam in Flaschen gefüllt.“ 

Wie lautet der Satz, wenn Sie diesen hier vollenden: „Die biodynamische Arbeitsweise… „erfüllt meinen tiefen Wunsch, der Natur auch im Weinberg respektvoll zu begegnen. Im Zusammenspiel mit Rebe und Boden schöpfe ich die Inspiration für meine vielschichtigen und lebendigen Weine.“

Eine vielleicht abwegige Frage an einen Winzer, aber was ist Wein für Sie? Meine handwerklich hergestellten biodynamischen Weine sind für mich ein Medium, das wie eine Brücke wirkt, um Menschen zu inspirieren mit sich selbst in Kontakt zu kommen. Mit meinen Weinen möchte ich einen besonderen „Gefühls-Raum“ eröffnen. Die schönste Rückmeldung für mein Wirken ist, wenn die Kunden dazu angeregt werden, sich von außen nach innen zu wenden und sie in Harmonie mit sich selbst kommen. Dann spüre ich, dass die Kraft meiner Weinberge im Glas angekommen ist und sich überträgt. Bei mir persönlich führte eben diese intensive Wahrnehmung der Natur vor 30 Jahren zu einem Bewusstseinsprozess, der mich schließlich zur biodynamischen Landwirtschaft geführt hat. Ich ziehe aus den vielfältigen Naturprozessen meine Energie, sie regen meinen Forschergeist an und sind die Quelle immer neuer Tatkraft.

Das Weingut Harteneck wurde im Jahr 2024 zum vierten Mal in Folge vom Magazin „Der Feinschmecker“ ausgezeichnet, Glückwunsch! – welche Werte leben Sie und Ihr Team auf dem Weingut?

Wir leben den biodynamischen Gedanken. Dazu gehört auch der soziale Aspekt, die Gemeinschaft, gelebter Teamgeist und dass man achtsam miteinander umgeht. Wir haben viele Praktikanten aus dem In- und Ausland. Bei uns kann jeder erleben - sei es als Mitarbeiter oder als Kunde - wie sich das anfühlt, wenn die eigene Wahrnehmung angeregt wird. Ich nenne das den „senkrechten Blick“ – die Verbindung von Erde und Kosmos zu fühlen. Es ist wie die Gezeiten von Ebbe und Flut oder die Rhythmen des Mondes zu spüren und noch viel mehr. Es gibt so viele Einflüsse aus dem Kosmos und von den Planeten. Es benötigt Erfahrung, um sich in den Weinberg „einzufühlen“ und zu entscheiden, welche biodynamischen Präparate es braucht, damit die Reben ins Gleichgewicht kommen, gerade jetzt in Zeiten der klimatischen Herausforderungen.

Zu unseren besonderen Team-Mitgliedern gehören unsere Schafe im Weinberg. Sie bringen das tierische Element in die Reben, Stichwort „geschlossener Kreislauf“. Und sie bringen Freude und Gelassenheit in die Umgebung. Auf unsere Besucher überträgt sich die Ruhe der grasenden Tiere und auch auf uns als Team wirken sie ausgleichend. Besonders, wenn im Frühling die Lämmer durch die Reben hüpfen, stecken sie einfach mit ihrer Fröhlichkeit und Unbeschwertheit an!

Wie blicken Sie in die Zukunft? Die Weinbranche ist ja derzeit im Wandel.

Das was, und wie wir es tun, ist auch zukunftsgewandt. Klar stehen wir vor immer neuen Herausforderungen: Stichwort zugewanderte Schädlinge, Stichwort Wasserschutz.  Es wird zunehmend schwieriger, Landwirtschaft zu betreiben und die Menschen mitzunehmen. Aber wir sehen uns in der biodynamischen Landwirtschaft auch als Pioniere, wir entwickeln die biodynamische Anbauweise gemeinsam weiter und haben in vielen Bereichen einen Vorsprung, sei es im Umgang mit Schädlingen oder indem wir unsere Böden stärken und so unterstützen, um besser mit veränderten Umweltbedingungen zurecht zu kommen. Und es gehört auch Ehrlichkeit gegenüber den Konsumenten dazu: Durch die uneinheitlichen Regelungen der EU im Weinbau wird bereits viel Wein aus anderen EU-Ländern getrunken, einfach weil sie kostengünstiger hergestellt werden können. Wir hier in Südbaden können nicht zu Bedingungen produzieren wie in Italien, wo es nicht mal einen Mindestlohn gibt. Weinbau ist ein Kunsthandwerk. Und wenn das in Deutschland weiter existieren soll, dann müssen solche Fragen gesellschaftlich, aber vor allem auch politisch geklärt werden.

Was ist, wenn immer weniger Menschen Wein trinken?

Meiner Beobachtung nach führt das zu einem ausgewählten Konsum. Wer sich mit unseren Weinen beschäftigt, der geht mit neuen Gedanken durchs Leben. Der vergorene Saft unserer Trauben regt zu einem Wahrnehmungsprozess an. Wein kann ein Elixier sein, das ausstrahlt und anzieht.

Zusatzinfos:  Das Weingut Harteneck liebt die Inspiration - Jeder Wein ist anders, jeder ist eigen, niemals gleich. Hier verbindet sich im Einklang mit der Natur Handwerk und Seele. Die Trauben sind handgelesen und mit Weinberg eigenen Hefen vergoren. Mehr unter https://weingut-harteneck.de und hier gehts zum Feinschmecker

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