Volksbegehren „Rettet die Bienen“

Weniger chemisch-synthetische Pestizide, mehr ökologische Landwirtschaft und Kooperation statt Konfrontation: Das ist das Ergebnis des Volksbegehrens Artenschutz – „Rettet die Bienen“. 

Agrarwende – gerne auch umfassend. Das ist von jeher ein Ziel der Demeter-Gemeinschaft. Und dabei ist die Artenvielfalt einer der zentralen Punkte. Sie ist Trägerin der Lebens- und Seelenkräfte, die auf unsere Landwirtschaft wirken. Andererseits ist sie aber auch eine Schnittstelle, über die Verbraucher*innen unser Wirken wahrnehmen. Und so gesehen haben die beiden Demeter-Imker-Kollegen David Gerstmeier und Tobias Miltenberger, die das Volksbegehren Artenschutz - "Rettet die Bienen" initiiert haben -  mit dem Volksbegehren etwas angestoßen, das überfällig war. Nicht nur, weil sie einen über die Jahre in Ritualen erstarrten Dialog zwischen Gesellschaft und Landwirtschaft wiederbelebt haben, sondern weil sie den Blick von Politik, Gesellschaft und Landwirtschaft auf das Arten- und das Höfesterben im Ländle gelenkt haben: Ein Viertel der Vogelbrutpaare ist seit den 80er Jahren am Bodensee verschwunden, ein Drittel der Arten auf der Schwäbischen Alb in den vergangenen zehn Jahren, seit 1950 sind 71 Prozent der Ackerwildkrautarten verschwunden. Und zeitgleich hat sich die Zahl kleinerer und mittlerere Höfe in Baden-Württemberg halbiert. Da liegt der Schluss nahe: Arten- und Höfesterben passieren parallel, weil beide das Ergebnis einer falschen Landwirtschaftspolitik sind.

Die Gemeinschaft der biodynamisch wirtschaftenden Betriebe hat die richtigen Lösungen für diese Herausforderungen: Auf ökologisch bewirtschafteten Flächen existieren 23 Prozent mehr Insektenarten und ein Viertel mehr Vögel als auf konventionellen Flächen. Nur: Nicht immer haben wir dafür die Aufmerksamkeit von Politik, Gesellschaft und Berufskolleg*innen bekommen, die sinnvoll wäre. Das hat das Volksbegehren geändert.

Denn nachdem David Gerstmeier und Tobias Miltenberger im vergangenen Frühsommer, unterstützt von NABU, BUND, Fridays for Future, Slow Food, aber auch Demeter, Naturland oder der AbL mit einem Gesetzentwurf an die Öffentlichkeit gegangen waren, gelangten die Themen Artenvielfalt und Agrarwende in den Fokus der Diskussion. Schließlich forderte dieser Entwurf mehr Öko-Landbau im Ländle, strenge Pestizidreduktionsziele und Pestizidverbote in Schutzgebieten. 36.000 Wahlberechtigte unterstützen den Antrag, diesen Gesetzentwurf für ein Volksbegehren zuzulassen.

Natürlich hat dieses Vorhaben mit seinen Maximalforderungen polarisiert und die soziale Situation in vielen Dörfern und auf vielen Höfen strapaziert. Aber gerade die Vertretung von Demeter im Trägerkreis des Volksbegehrens hat dazu geführt, dass die Sorgen und Nöte der Landwirt*innen im Zuge des Volksbegehrens immer differenzierter und praxisnäher dargestellt wurden. Das wurde bis in die Mitte der Gesellschaft wahrgenommen – genauso allerdings wie die Proteste vieler konventioneller Kolleg*innen.

Vom Konflikt zum Kompromiss

Gut ist deswegen, dass die Landesregierung die Konfrontation in eine Phase der Kooperation überführte. Die Minister für Umwelt und Landwirtschaft stellten ein Eckpunktepapier vor, das viele Praxisbedenken aufgriff, den Artenschutz nicht verwässerte und die konventionellen Berufskollegen in den Prozess holte. Dieses Papier mündete über mehrere Verhandlungstage mit mehr als 30 Landwirtschafts- und Umweltschutzverbänden in einen Gesetzentwurf, der das Volksbegehren beendete.

Und spätestens an diesem Zeitpunkt war klar, wie wichtig das Engagement von Demeter im Trägerkreis des Volksbegehrens auch für die eigenen Mitglieder war: Der Landesverband konnte so aus dem Innern des Trägerkreises heraus Einfluss auf die Entwicklungen nehmen und maßgeblich dazu beitragen, dass aus der progressiven Idee zweier Imker ein praktikabler und pragmatischer Gesetzentwurf wurde. Ohne das Engagement von Landwirt*innen und ihren Vertreter*innen im Arbeitskreis, die dort als praxisnahe Mittler*innen ziwschen Umweltschutz und Landwirtschaft auftraten, hätte das nicht geklappt.

Was haben wir so erreicht?

  • Weniger chemisch-synthetische Pestizide:  Im Jahr 2030 sollen nur noch halb so viele chemische Pestizide auf die Flächen wie heute. Das ist ziemlich ehrgeizig, aber machbar. Zum einen, weil das Land sich verpflichtet, Landwirt*innen auf diesem Weg zu begleiten. Zum anderen, weil das Reduktionsziel nicht für einzelne Betriebe gilt, sondern für das ganze Land. 
  • Mehr Öko-Landwirtschaft: Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die Landesregierung Landwirt*innen besser bei der Umstellung auf „bio“ unterstützt und zunächst attraktive Marktbedingungen schafft. Auf 30 bis 40 statt heute 16 Prozent der Flächen will die Landesregierung so bis 2030 Öko-Landbau erreichen.
  • Bessere Lebensräume: Das Land verpflichtet sich, einen zusammenhängenden Verbund an Biotopen zu schaffen. Landwirtschaftsbetriebe werden gefördert, mindestens fünf Prozent ihrer Flächen der Natur freiwillig zu überlassen. Und Streuobstwiesen sind nicht nur besser vor Bebauung geschützt, das Obst wird auch besser vermarktet. 
  • Kooperationen statt Verbote: Der Gesetzentwurf enthält für Landwirt*innen bis auf ein Ausnahme keinerlei Verbote. Lediglich im Bereich der Naturschutzgebiete, die etwa 1,9 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen im Land ausmachen, wird es ein hartes Verbot von Pestiziden geben. Darüber hinaus setzen alle Regeln des Gesetzentwurfs auf das Prinzip Kooperation und Anreize. Sprich: Landwirt*innen werden dabei gefördert, bestimmte Ziele zu erreichen, und nicht gezwungen oder eingeschränkt.
  • Mehr Geld für mehr Leistung: 62 Millionen Euro zusätzlich für die nächsten zwei Jahre hat die Landesregierung im Bereich der nachhaltigen Agrarwende fest zugesagt.

Ein neuer Gesellschaftsvertrag

Zusammengefasst heißt das: Die Zukunft der Landwirtschaft ist ökologisch. Sie respektiert die Lebensräume, die unsere Natur zum Überleben braucht, und versucht den Anspruch der Gesellschaft an Nachhaltigkeit und die Interessen der Landwirt*innen an Lösungen, die genauso gut gemacht wie gemeint sind, zu vereinen. Und dennoch war das Volksbegehren erst ein Anfang. Nach den Fortschritten beim Artenschutz müssen mindestens zwei weitere in den Mittelpunkt der Politik: das Wertschätzungsdefizit landwirtschaftlicher Arbeit und die Wertschöpfungsprobleme bäuerlicher Betriebe. Wir stehen somit am Anfang eines Weges, an dessen Ende ein neuer Gesellschaftsvertrag stehen sollte. Ein Gesellschaftsvertrag, der das Interesse der Landwirt*innen nach fairen Preisen genauso berücksichtig, wie das Interesse der Gesellschaft nach Artenschutz, der Nachhaltigkeit belohnt und reine Gewinnmaximierung bestraft, der fördert, wo es sinnvoll, und fordert, wo es nötig ist. Und der so dazu beitrage, dass in der Gesellschaft eine neue Wertschätzung landwirtschaftlicher Arbeit entsteht, aus der dann auch wieder bessere Wertschöpfung für die Landwirtschaft erfolgt. Demeter setzt hier schon heute wichtige Impulse: Mit unserer Fokussierung auf Wertschätzung, auf Stärkung von Wertschöpfungsketten und unserem Einsatz für freie, selbstbewusste und selbstständige Landwirt*innen. Damit wir weiter zusammen-wachsen.

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2019