Herr Till und die Superwiese

Nicht nur ihre Ziegen und Hinterwälder Kühe schätzen die Wiesen und Weiden der Demeter-Landwirte Heinrich und Christin Till aus Schluchsee-Äule. Auch bei Wettbewerben im Schwarzwald und in Frankreich konnten die artenreichen standorttypischen Wiesen der Tills überzeugen und Preise gewinnen.

Im Interview erzählt der Demeter-Landwirt und Wiesenmeister Heinrich Till von seinen Erfahrungen mit der ökologischen Landwirtschaft und wie er aus einer Borstgraswiese eine Gewinnerwiese machte. Heinrich Till aus Schluchsee-Äule feiert mit seinen Wiesen internationale Erfolge. Nach seinem Sieg bei den heimischen Wiesenmeisterschaften 2013, schickte ihn der Naturpark Südschwarzwald zum Wettbewerb nach Frankreich. Auch hier überzeugten die biodynamisch bewirtschafteten Wiesen und Weiden hinsichtlich Biodiversität und landwirtschaftlicher Nutzungsqualität. In der Kategorie „Bergweide“ erhielt Heinrich Till einen „Prix d’Excellence“, überreicht vom französischen Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll im Februar 2014 im Rahmen der internationalen Landwirtschaftsmesse „Salon International de l‘Agriculture“ in Paris.


Herr Till, wie kam es zu Ihrer Teilnahme an den Wiesenmeisterschaften? Ich hatte das zufällig spät abends noch im Nachrichtenblatt des Hinterwälder-Zuchtverbands gelesen und meine Anmeldung in letzter Minute gefaxt. Vor einigen Jahren hatten wir schon einmal an einer „WM“ teilgenommen und für dieselbe Magerwiese den ersten Preis bekommen. Die teilnehmenden Wiesen werden sehr genau analysiert und bewertet. Mich hatte vor allen Dingen interessiert, ob die Artenvielfalt in meiner Wiese zu- oder abgenommen hat. 

Würden Sie andere Landwirte dazu ermutigen, an einer solchen Meisterschaft teilzunehmen? Wer noch artenreiche Flächen besitzt, sollte teilnehmen. Dadurch lernt man seine eigenen Wiesen und Weiden besser kennen. Sie waren begeistert vom Engagement der französischen Landwirte bei der Präsentation ihrer Regionen.

Was können die Landwirte hierzulande von den französischen Kollegen lernen? Andere Länder, andere Sitten. Die französischen Landwirte halten noch mehr zusammen, nehmen kein Blatt vor den Mund, sind mutiger und etwas selbstbewusster in der politischen Auseinandersetzung. Sie lassen sich weniger gefallen. Das wissen auch die Politiker. Ziel der Wiesenmeisterschaften ist es, das Bewusstsein für die Thematik Artenvielfalt auf Wiesen und Weiden zu stärken und die Arbeit der Landwirte zu würdigen.

  Was muss außerdem getan werden? Das öffentliche Interesse für Naturschutz-Belange wächst gleichermaßen wie das Bewusstsein für gesunde Ernährung. Wobei noch mehr Menschen eine intakte Natur fast wie eine Art Grundrecht einfordern und meinen, wenn man nicht mehr düngt, sei schon alles o.k. Ich finde es besonders gut, dass die Wettbewerbe Flächen bewerten, auf denen man auch betriebswirtschaftlich zurechtkommen muss. Ohne Bewirtschaftung würde unsere Landschaft verkümmern bzw. verwalden. Nur wenn man nachhaltig wirtschaftet, indem man gleichzeitig schützt, also mit maßvollem Feingefühl und Sachverstand die Flächen – am besten mit Strohmistkompost – düngt und beweidet oder mäht, dabei ein gutes Gefühl für Zeitpunkte, Schnitthöhe usw. walten lässt und nicht nur auf Masse aus ist, kommt man zu einem zukunftsfähigem Ergebnis.   Können die Wiesenmeisterschaften andere Landwirte zu einer ökologischen Bewirtschaftung motivieren? Ganz wenige vielleicht schon. Jedoch halte ich den Anreiz solcher Wettbewerbe für eine wirkungsvolle Motivation zu gering. Da müssen wir uns nichts vormachen. Es zählen schlicht andere Argumente: Im Schwarzwald haben in letzter Zeit viele Landwirte umgestellt, nachdem die Molkereien zu wenig Bio-Milch hatten und einen höheren Milchpreis geboten haben.   Welche konkreten Vorteile bringt eine ökologische Bewirtschaftung dem Landwirt? Bei uns, die wir seit über 25 Jahren biodynamisch wirtschaften, ist die ökologische Bewirtschaftung die Grundlage unseres Lebensunterhalts. Sie passt ausgezeichnet in unser inneres und äußeres Konzept: ein Demeter-Bergbauernhof auf 1.000 Meter Höhe, vom Aussterben bedrohte Hinterwälder Kühe, artenreiche Bergwiesen, Käseherstellung, Vermarktung in einer Demeter-Assoziation in Freiburg, Schüler auf dem Bauernhof, Bauernhof-Events und Käsekurse. Mir persönlich bringt es, dass ich mich authentisch fühle – für einen Betrieb, der sich selbst vermarkten muss, ein entscheidender Vorteil. So kann ich glaubwürdiger auftreten. Es ist wichtig, dass sich unsere Kunden in ihrem Gefühl bestätigt fühlen, einen nachhaltigen Betrieb wie unseren durch ihren Einkauf weiterhin unterstützen zu wollen.   In den Anfängen Ihres Hofes vor 25 Jahren mussten Sie auf Ihren hauptsächlich von Borstgras geprägten Weiden die Artenvielfalt erst herbeiführen. Wie haben Sie aus einer Borstgrasweide eine Gewinnerwiese gemacht, die gleich zwei Auszeichnungen erhalten hat? Endlich kommt diese Frage. Um das zu beantworten, müsste ich weit ausholen. In aller Kürze: Die Weide wurde vorher sehr extensiv als Jungvieh-Alm genutzt. Wir kamen zwar mit Hinterwälder Milchkühen hierher, aber ich sah sofort, dass da oben selbst mit denen keine Milch zu holen ist. Ich kaufte mir einen Böschungsmäher und mähte zunächst – aus naturschützerischer Sicht gesehen gegen alle Vernunft – die Weiden in mühevoller Arbeit nach, immer schön an den Silberdisteln vorbei in wochenlanger Tagesarbeit und das zwei Sommer lang. Das war der eigentliche Trick: Die Natur hier war sauber und unberührt von Chemie und Gülle über Jahrhunderte in Ruhe gelassen worden. Es musste also nichts repariert werden. Ich habe am Steilhang Kuhmist abgekippt und verrotten lassen. Schulklassen haben aus alten Skiern primitive Schlitten gebaut und nach zwei Jahren den fertigen Kompost verteilt. Jedes Jahr wurde ganz normal geweidet. Einmal bin ich mit dem Jauchefass hochgefahren und habe mit Feuerwehrschläuchen den ganzen Hang begüllt, nur ein Jahr. Danach wurde das Gras süßer, es gesellten sich andere Arten dazu, die schon Jahrtausende in Form von Samen im Boden schlummerten. Durch all das wurde das Borstgras etwas verdrängt und nun mache ich außer Beweidung gar nichts mehr. Die Kühe lassen genug Kot fallen, um den Boden ausgewogen zu düngen. Arnika und Thymian, Silberdistel und etwa 20 weitere Arten sind jetzt zu finden. Der Boden birgt in sich alle Arten, die zum Standort passen. Der Mensch muss nur die Lebensbedingungen schaffen, es den verborgenen Pflanzen sozusagen schmackhaft machen, das Licht der Erde erblicken zu wollen. Das macht schon Spaß, über diese Weide zu gehen.   Demeter-Landwirtschaft hautnah erleben Am Sonntag, den 3. August 2014 können sich interessierte Besucher beim Brunch von den Besonderheiten von Herrn Tills artenreichen Wiesen überzeugen und im Hofladen die Käseköstlichkeiten aus der hofeigenen Käserei einkaufen. Insgesamt gibt es für den Brunch 100 Sitzplätze – Preis pro Erwachsener: 28 Euro. Da die Plätze begrenzt sind, ist eine Anmeldung vorab erforderlich: Familie Till, Äule 9, 79859 Schluchsee Telefon: 0160/6253846 E-Mail: veranstaltungen@hof-till.de   Für alle Interessierten bieten Heinrich und Christin Till zudem Käse- und Viehhaltungskurse an. Weitere Infos: www.hof-till.de   Hintergrund: Demeter und die biodynamische Wirtschaftsweise Das biodynamische Prinzip, den landwirtschaftlichen Betrieb als möglichst geschlossenen Organismus zu betrachten, ist zum Fundament der gesamten ökologischen Landwirtschaft geworden: Auf dem Bauernhof werden nur so viele Tiere gehalten, wie sich mit eigenem Futter ernähren lassen. Die Tiere wiederum liefern ausreichend Dung, um die Pflanzen zu ernähren. Mit diesem Grundsatz geht der ökologische Landbau über das schlichte Weglassen von chemischen Dünge- und Spritzmitteln hinaus. Die zentralen Aspekte der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsweise: individueller Hoforganismus, Biodynamische Präparate, lebendiger Boden, Integrität für Pflanze und Tier, Kräftewirkung von Lebensmitteln und der Zukunftsaspekt des Handelns – nicht zuletzt auch mit dem Anspruch, die Wertschöpfungskette in eine Wertschätzungskette zu verwandeln.